Glänzende Augen

Eine Weihnachtsgeschichte von Theres Gerber

 

Der kleine Engel Simon, möchte so gerne einmal, die Adventszeit auf der Erde verbringen.

In der Zeit, der Vorfreude auf das Weihnachtsfest, auf den Geburtstag von Jesus, muss es doch besonders schön sein bei den Menschen, ist Engel Simon überzeugt.

Da in der Adventszeit im Himmel alle immer sehr feierlich gelaunt sind, wird dem Engel erlaubt für ein paar Tage auf die Erde zu gehen.

Fröhlich segelt er, zusammen mit den Schneeflocken auf die Erde hinunter.

"Zuerst gehe ich zu den Kinder in die Schule und höre zu wie sie Weihnachtslieder einüben," freut sich Simon.

Schon von weitem hört Simon die Kinder herum lärmen, denn sie haben gerade Pause.

Huch, ist das ein treiben auf dem Pausenplatz.

Einige Kinder spielen Fussball, Andere sitzen in einer Reihe und verzehren ihr Znüni.

Viele rennen einfach nur herum und ein paar klettern an der Abschrankung hinauf.

Was hört da der Engel Simon, der dies vom Himmel ganz und gar nicht gewohnt ist, für furchtbare Wörter: "Dummer Affe, blöde Kuh, verdammter Esel..." und noch schlimmeres, muss er sich da mit anhören.

Zwei Knabe reissen einem schmächtigen Buben die Mütze vom Kopf.

Sie werfen einander die Mütze zu und freuen sich riesig, dass der Kleinere keine Chance hat die Mütze wieder zu erwischen.

Obschon der frierende Bub schon längst gegen Tränen kämpft, geben die beiden ihr fieses Spiel nicht auf.Nein im Gegenteil, einer der Knaben wirft die Mütze so hoch in die Luft, dass sie oben am Dach hängen bleibt.

Die beiden Bösewichte laufen höhnisch lachend davon und überlassen ihren Kameraden seinem Schicksal.

"Diese bösen Buben," schimpft der Engel Simon wütend.

Leise fliegt er aufs Dach, schiebt die Mütze nach vorne, so das sie geradewegs dem schluchzenden Junge vor die Füsse segelt. Gerade zur rechten Zeit, denn in dem Moment läutet die Glocke das Ende der Pause.

Die ganze Kinderschar drängt lärmend durch den Eingang in die Klassenzimmer zurück.

Ganz verdattert bleibt der kleine Engel alleine auf dem Pausenplatz zurück.

Keine Adventsstimmung weit und breit.

 

Auf der anderen Seite der Strasse, sieht Simon ein grosses Haus.

Dort steht ein riesiger Tannenbaum, von oben bis unten voller leuchtender, elektrischen Kerzen und roten Kugeln.

Viele Leute eilen durch die automatische Türe hinein und Andere kommen mit vollen Taschen wieder hinaus.

Supermarkt, steht mit leuchtenden Buchstaben über dem Eingang geschrieben.

Geschickt kurvt Simon an all den Menschen vorbei, in das grosse Haus hinein.

Simon staunt über all die Dinge die er im Innern dieses Hauses vorfindet.

Es glänzt und glitzert ringsherum und aus Lautsprechern erklingt weihnachtliche Musik.

Der kleine Engel Simon setzt sich staunend, oben bei der Rolltreppe, neben einen wollenen Schneemann, der dort zur Dekoration hingestellt wurde.

Hier ist ein guter Platz, um das treiben ein wenig zu Beobachten.

Menschen hasten die Treppe hinauf und hinunter.

Von der Spielwahren-Abteilung her, hört er ein Kind lauthals

weinen.

Die genervte Mutter zehrt das Kind an Simon vorbei, aus dem Geschäft hinaus.

Geschenke werden eingepackt und Geld einkassiert.

Simon beobachtet wie ein junger Mann, einer älteren Dame das Portemonnaie aus der Handtasche klaut.

"Was kommt diesen Menschen in den Sinn? Weihnachten zu benutzen um Geld zu verdienen!" wettert Simon.

"Was haben die aus Weihnachten gemacht?" schimpft er vor sich hin.

"So muss sich Jesus gefühlt haben, als er damals zum Tempel kam und sah wie die Händler im Innenhof ihre Geschäfte machten. Allesamt hat er aus dem Tempel verjagt."

Zu solchen Taten fühlt sich der kleine Engel aber doch nicht berechtigt und trottet daher bloss mit hängenden Flügeln zum Geschäft hinaus und stapft traurig die Gasse hinunter.

Er ist so etwas von enttäuscht.

Er hatte viele glänzende, vor Freude strahlende Augen erwartet, auf der Erde und was hat er gefunden...?

 

Um diese Jahreszeit wird es schon früh dunkel und ausserdem ist es kalt.

So geht Simon mit gesenktem Kopf die Gasse hinunter und stolpert dabei beinahe über die Füsse eines Mannes der auf dem Boden kauert.

Ein Mann in lumpigen Kleidern, sitzt etwas geschützt vom Wind in einem Hauseingang.

"Solltest du um diese Zeit nicht zuhause sein?" fragt der Engel den sichtlich frierenden Mann.

"Hab kein Zuhause," murrt dieser.

"Kein Zuhause? Keine Eltern? Keine Familie? Fragt Simon entsetzt

"Doch Eltern habe ich schon, aber...."

"Aber was?" will Simon ungeduldig wissen.

Da erzählt der Mann seine Geschichte.

Er erzählt wie er vor Jahren seine Eltern belogen, ja sogar bestohlen hatte, nur um sich Alkohol und Drogen zu kaufen.

Wie er geglaubt habe seine Eltern würden ihn hassen. Dabei wollten sie ihm ja nur helfen.

So sei er abgehauen und dabei immer weiter und weiter abgesunken.

Auf der Strasse habe er gelebt und gestohlen, um zu überleben.

Bis er ins Gefängnis kam.

Dort kam er zwar weg von den Drogen, aber nicht vom schlechten Gewissen, für das alles das er gemacht hatte.

"Warum gehst du nicht einfach zu deinen Eltern und bittest sie um Vergebung?" fragt der Engel.

"Nein das könnte ich nie....das würden sie nie..." stottert der Mann.

"Weihnachten wäre doch genau die richtige Zeit um um Vergebung zu bitten," erklärt Simon.

"An Weihnachten ist doch Jesus auf die Welt gekommen, damit Vergebung möglich ist. Damit wir mit uns und mit allen Anderen Frieden machen können, damit wir jederzeit mit uns ins Reine kommen können."

"Was muss ich denn tun?" will der Mann den kleinen Engel gerade fragen, da bleibt eine ältere Frau plötzlich vor den Beiden stehen.

"Florian?" ruft diese halb fragend halb überrascht.

"Mama," erwidert der Mann und im gleichen Augenblick liegen sich Mutter und Sohn in den Armen.

"Geht doch," denkt Simon und schaut den Beiden nach, wie sie Arm in Arm die Gasse entlang gehen und in ihrem Haus verschwinden.

"Der verlorene, Sohn ist zurück,"seufzt Simon und wischt sich über die Augen.

"Ja, genau das ist Weihnachten!"

 

Auf der Gasse ist es nun ruhig geworden, keiner hastet noch durch die Strassen.

Durch ein Fenster hört Simon wie eine Familie: "Stille Nacht, heilige Nacht," singt.

Langsam macht sich der kleine Engel Simon, auf den Weg zurück in den Himmel.

Hi und da schaut er noch durch ein Fenster, um einen Blick auf die schönen Weihnachtsbäume zu werfen. Nun endlich kann er sie sehen, die glänzenden Augen der Menschen, die da friedlich mit ihren Familien in der Stube sitzen.